Mit lebendigen Farben und präziser Linienführung erschuf er eine Bilderwelt, die Generationen von Kindern und Erwachsenen rund um den Globus begeisterte und die alpine Schweiz international bekannt machte[1]. Der vielfältig begabte Künstler, dessen berühmtester Buchcharakter Schellen-Ursli mit seiner markanten Zipfelmütze zum kulturellen Botschafter der Schweiz wurde, vereinte Grafikdesign, Malerei und Illustration zu einem unverwechselbaren künstlerischen Ausdruck[2]. Seine eindrucksvollen Kinderbuchillustrationen brachten ihm als erstem Schweizer die prestigeträchtige Hans-Christian-Andersen-Medaille ein und machten ihn zu einem der bedeutendsten Schweizer Kunstschaffenden des 20. Jahrhunderts[3]. Von seinen Anfängen als Dekorationsmaler über seine erfolgreiche Zeit als Grafiker bis hin zum freischaffenden Künstler verband Alois Carigiet traditionelles Handwerk mit innovativen Ideen und fand den perfekten Ausgleich zwischen ästhetischem Anspruch und zugänglicher Bildsprache[4].
Geboren am 30. August 1902 in Trun im Kanton Graubünden, wuchs er als siebtes von elf Kindern in einer Bauernfamilie auf, deren ländlich geprägte Umgebung zeitlebens eine wichtige Inspirationsquelle für sein künstlerisches Schaffen darstellte[5]. Nach dem einschneidenden Umzug seiner Familie nach Chur im Jahr 1911 absolvierte er eine Lehre als Dekorationsmaler und zog 1923 nach Zürich, wo er zunächst im renommierten Grafikatelier von Max Dalang arbeitete[6]. Bereits 1927 wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit und eröffnete sein eigenes Atelier, in dem er sich schnell einen Namen als talentierter Plakat- und Dekorationsmaler machte[4]. Als Mitbegründer des legendären Cabaret Cornichon 1933 gestaltete er Bühnenbilder, Kostüme und Plakate und entwickelte dabei seinen charakteristischen Stil mit einer Prise Humor, der seine Werke unverwechselbar machte[2]. Seine zahlreichen Grafikarbeiten, darunter das rote Kleeblatt der Landeslotterie und das offizielle Plakat für die Schweizerische Landesausstellung 1939, trugen wesentlich zum internationalen Ruf der Schweizer Werbegrafik bei[7]. Unzufrieden mit der zunehmenden Routine seiner Auftragsarbeiten kehrte er 1939 als freischaffender Künstler in seine Bündner Heimat zurück, wo er den Weg zu seiner eigenen Kunstform fand und nach seiner ersten Ausstellung 1940 in Chur regelmässig seine Werke präsentierte[5]. Die Zusammenarbeit mit der Engadiner Dichterin Selina Chönz führte 1945 zur Veröffentlichung des Bilderbuchs „Schellen-Ursli“, das zu einem weltweiten Erfolg wurde und bis heute in 14 Sprachen übersetzt und mehr als zwei Millionen Mal verkauft wurde[1]. Es folgten weitere erfolgreiche Kinderbücher wie „Flurina und das Wildvöglein“ (1952) und „Der grosse Schnee“ (1953), bevor er in den 1960er Jahren begann, seine Bücher nicht nur zu illustrieren, sondern auch selbst zu verfassen[8]. Neben den Kinderbüchern schuf er beeindruckende Wandmalereien wie „Allegro con Spirito“ im Zürcher Muraltengut und „Die Vereinigung der Bünde“ im Churer Grossratssaal, die zu seinen wichtigsten Werken zählten[5].
Das künstlerische Vermächtnis dieses aussergewöhnlichen „künstlerischen Zehnkämpfers“ geht weit über die berühmte Figur des Schellen-Ursli hinaus und umfasst ein vielseitiges Œuvre aus Landschaftsbildern, Tierdarstellungen, Brauchtumsschilderungen und grossformatigen Wandgemälden[2]. Seine prägnante Bildsprache, die Beobachtungsgabe, das Erzähltalent und die Liebe für die einfachen Dinge des Lebens prägen sein gesamtes Werk und verbinden Tradition mit Modernität zu einem unverwechselbaren Stil[5]. Die hohe Anerkennung seiner künstlerischen Leistungen spiegelt sich in zahlreichen Auszeichnungen wider, darunter der Schweizer Jugendbuchpreis und der internationale Hans Christian Andersen Preis, der als „Nobelpreis der Kinderliteratur“ gilt[9]. Seine Kinderbücher haben das Schweizer Bilderbuchschaffen entscheidend geprägt und sind zu Ikonen alpiner Selbstbehauptung geworden, während seine Tourismusplakate und grafischen Arbeiten ein zeitloses Zeugnis Schweizer Designgeschichte darstellen[10]. Im Museum Sursilvan in seinem Geburtsort Trun ist dem vielseitigen Künstler ein eigener Raum gewidmet, und die regelmässigen Ausstellungen seiner Werke im In- und Ausland, zuletzt 2015-16 im Schweizerischen Nationalmuseum, unterstreichen die anhaltende Relevanz und zeitlose Qualität seines künstlerischen Schaffens[4]. Als Alois Carigiet am 1. August 1985, kurz vor seinem 83. Geburtstag, in seinem Heimatort Trun starb, hinterliess er ein reiches Erbe, das bis heute nachwirkt und durch die fortdauernde Beliebtheit seiner Bücher und die künstlerische Strahlkraft seiner Bilder weiterlebt[6].